- Symmetrien und Asymmetrien des menschlichen Körpers
- Symmetrien und Asymmetrien des menschlichen KörpersIn der Stammesgeschichte entstanden alle inneren Organe bilateralsymmetrisch, entweder als paarige Anlagen oder als unpaare, in sich selbst symmetrische Organe mit rechter und linker Hälfte. Einzige Ausnahme ist nach heutigem Kenntnisstand das Herz, das sich bei allen Wirbeltieren aus einer Gefäßschleife bildet. In jüngster Zeit bei Hühner- und Mäuseembryonen entdeckte Asymmetriegene könnten hierfür auch beim Menschen eine Rolle spielen. Trotzdem leiten sich alle asymmetrisch gelegenen oder ausgeformten Organe von symmetrisch paarigen Anlagen ab oder sie werden von einer mittigen Anlage aus auf eine Körperseite verlagert. So ist die links gelegene Körperhauptschlagader, die Aorta, stammesgeschichtlich ein Umbauprodukt der Arterie des linken vierten Kiemenbogens. Während der rechte Ast dieser ursprünglich paarigen Anlage beim Menschen nicht mehr existiert, wird er links in Form der Aorta verwirklicht. Das ebenfalls zunächst paarig angelegte Brustbein ist eine frühe Verschmelzung der beiden embryonalen Brustleisten. Leber, Milz und Bauchspeicheldrüse wurden ursprünglich in der mediansagittalen Ebene unpaar und in sich selbst symmetrisch angelegt und erst später verlagert. Ihre asymmetrische Lage und Gestalt stellt sich in der Entwicklung des Menschen schon derart früh ein, dass sie fälschlich für ursprünglich asymmetrisch gehalten werden könnten.Symmetrien der Nervensysteme und der GeschlechtsorganeWie stark das Prinzip der Bilateralsymmetrie den Aufbau unseres Körpers bestimmt, erkennt man zum Beispiel an der Entwicklung des Nervensystems und der menschlichen Fortpflanzungsorgane. Das Zentralnervensystem wird als unpaare Längsrinne entlang der Rückenseite des Embryos angelegt. Diese Neuralrinne, die ein Teil der Außenhaut des frühen Embryos, das Neuroektoderm, ist, verlagert sich allmählich in die Tiefe, wobei sich die oberen Kanten der Rinne nähern und schließlich verwachsen. Es bildet sich das Neuralrohr, das sich vom übrigen Ektoderm löst und in die Tiefe sinkt. Das gesamte zentrale und periphere Nervensystem entsteht so zunächst völlig symmetrisch auf der linken und rechten Körperseite. Beim erwachsenen Menschen sind die beiden Großhirnhälften paarig, die beiden hinteren Beinnerven (Ischiasnerven) sowie der Augennerv und die Netzhaut, die rechts und links paarig-symmetrische Differenzierungen der an sich unpaaren Zwischenhirnanlage sind. Einzelne Asymmetrien im Zentralnervensystem, wie die des Nervus vagus (Vagus-Nerv oder Parasympathikus) oder die Linksdominanz der Sprachregion in der Großhirnrinde, bleiben seltene Ausnahmen.Die Ausscheidungs- und Fortpflanzungsorgane sind paarig oder leiten sich von paarigen Anlagen ab. Auch die in der Mediansagittalebene gelegenen unpaaren Organe, wie Gebärmutter oder Penis des Menschen, waren ursprünglich paarig und werden embryonal auch noch so angelegt. Bei der Verschmelzung zu einem mittig gelegenen Organ bleibt die Bilateralsymmetrie des Körpers aber erhalten. Jedoch zeigen sich auch geringfügige Asymmetrien: Der rechte Hoden hängt meist etwas tiefer als der linke, weil auch die rechte Niere meist eine etwas tiefere Position einnimmt als die linke, da beide Organe in ihrer Entwicklung eng verknüpft sind.Die Segmentierung des NervensystemsDie Segmentierung des Körpers hat unter anderem eine nervliche Grundlage. Außer den 12 Hirnnerven verfügt der Mensch über 31 segmentale Paare von Rückenmarknerven (Spinalnerven), welche die ihnen zugeordneten Segmente der Muskeln (Myotome) und jene der Haut (Dermatome) versorgen. Die Segmente des Rückenmarks entsprechen jedoch nicht immer den anatomisch benachbarten Wirbeln. So müssen die Wurzeln der Spinalnerven von ihrem Rückenmarkssegment ausgehend ab dem mittleren Brustbereich nach unten immer weiter absteigen, um den Austritt in dem ihnen zugehörigen Wirbelsegment zu finden. Das liegt an dem größeren Wachstum der Wirbelsäule, die sich gegenüber dem Zentralnervensystem mehr in die Länge streckt. Dieser relative Aufstieg des Rückenmarks gegenüber den Wirbelsegmenten stellt sich erst im Laufe des Heranwachsens ein. So endet das Rückenmark mit seinen letzten, für die Steißbeinregion zuständigen Abgängen von Spinalnerven in der Höhe des ersten Lendenwirbels (L 1). Ab dem zweiten Lendenwirbel befindet sich also kein Rückenmark mehr im Wirbelkanal, obwohl die das gesamte Zentralnervensystem umgebende harte Hirnhaut noch viel weiter nach unten reicht und erst in Höhe des zweiten oder dritten Wirbelelements des Kreuzbeins endet. In dem mit Hirn-Rückenmarks-Flüssigkeit gefüllten Raum hängen die langen Wurzeln der Spinalnerven als Pferdeschwanz frei herab, durchaus vergleichbar mit einem im Wasser frei aufgehängten Bündel von 16 dünnen, von einer glatten Hülle überzogenen Spaghetti.In der Praxis hat es sich eingebürgert, die segmentalen Nervenareale der Haut nach den Austrittsstellen der zugehörigen Nerven aus dem Wirbelkanal zu bezeichnen und nicht nach den oft sehr viel höher gelegenen Segmenten im Rückenmark. Nur im Halsbereich stimmen die Segmente der Wirbel etwa mit den Bereichen des Rückenmarks überein. Für die Diagnostik ist diese Zuordnung jedoch wichtig, weil sich beispielsweise sensorische Ausfälle in der Körperperipherie einem genauen Ort im Rückenmark zuordnen lassen.Die DermatomeWürden die Dermatome des Rumpfes auf die Haut aufgemalt, ergäben sie eine Art Zebrastreifung. Auf den Armen und Beinen sind die Verhältnisse dagegen komplizierter und lassen zum Teil Rückschlüsse auf embryonale Entwicklungen oder stammesgeschichtliche Herkunft zu. Während die Dermatome eines Beines vom Lendensegment 2 (L 2) bis zum Kreuzbeinsegment 2 (S 2) reichen, wird die Steißbeinregion des Gesäßes weiter unten im Rückenmark von den Kreuzbeinsegmenten S 3 und S 4 versorgt.Der Grund hierfür liegt mehrere Hundert Millionen Jahre zurück und ist am menschlichen Embryo zu beobachten. Beim Erwachsenen befinden sich die Geschlechtsorgane recht genau auf der Hälfte der Körperhöhe. Dagegen sind beim Embryo nicht die Füße das Körperende, sondern der noch vorhandene Schwanz. In diesem Stadium wachsen beim Embryo die Knospen für die späteren Hintergliedmaßen davor aus der seitlichen Rumpfwand heraus. Das erklärt die Versorgung der Beindermatome aus dem Lendenbereich, während im Steißbeinbereich die Haut von den weiter hinten gelegenen Kreuzbeinsegmenten versorgt wird.Die Anordnung der Dermatome im Bein- und Gesäßbereich erklärt auch, warum sich der Gefühlsbereich für die äußeren Fortpflanzungsorgane ganz am Ende des auf die Großhirnrinde projizierten Körpers befindet. Ursprünglich »gehörten« die Segmente des inzwischen fehlenden Schwanzes noch hinter die Geschlechtsorgane. So gelangte das Projektionsfeld der Geschlechtsorgane an den Schluss, während sich die Hintergliedmaßen entsprechend ihrer segmentalen Versorgung dazwischen einordneten. Die Großhirnrinde ist zwar stammesgeschichtlich sehr viel jünger als der Erwerb von Gliedmaßen für eine Fortbewegung auf dem trockenen Land, die Anordnung zeigt aber die mitprägende Funktion der grundlegenden segmentalen Rückenmarksorganisation bei der Ausbildung der neueren Hirnrindenregionen.Die Head-Zonen spiegeln die Asymmetrien einiger Eingeweideorgane auf der Außenhaut des Körpers wider. Bei ihnen handelt es sich um Bereiche der Haut, deren Nervenversorgung jeweils einem Rückenmarkssegment zugeordnet ist. Schmerzempfindungen, die von inneren Organen ausgehen, können so auf die entsprechenden Hautfelder übertragen werden. So entspringen die sympathischen Fasern des Magens dem 7. und 8. Brustsegment (Th 7 und Th 8). Bei Krankheiten des Magens kann das zur Überempfindlichkeit der Haut in den entsprechenden Dermatomen Th 7 und Th 8 führen. Herzbeschwerden können sich bei einer Angina Pectoris oder einem Herzinfarkt im linken Schulter-Arm-Bereich bemerkbar machen und Nierenkrankheiten in der LeistengegendProf. Dr. Carsten Niemitz, BerlinWeiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:Skelett: Statik und Motorik
Universal-Lexikon. 2012.